"Die DNA der Luftwaffe ist digital"

AFCEA Bonn e.V. und das Kommando Luftwaffe haben am 5. Juni 2019 zu einer gemeinsamen Veranstaltung "Digitalisierung Luftwaffe" in die Offiziersheimgesellschaft in der Luftwaffenkaserne Köln/Wahn eingeladen. Rund 250 Gäste, hochrangige Soldaten und externe Experten, tauschten sich über den Fortschritt der Digitalisierung innerhalb der Luftwaffe aus.


Die Veranstaltung griff nicht nur strategische Entwicklungen der Digitalisierung für die Streitkräfte und der Luftwaffe auf, sondern beleuchtete ebenso technologische Entwicklungen und deren Anwendung für die Cybersicherheit in der Operationsführung bzw. für Waffensysteme. Sie zeigte auf, wie Technik, Operation und Führung durch Digitalisierung miteinander verschränkt werden. Bei allen Herausforderungen, dies für Luftstreitkräfte umzusetzen, wurden auch die Chancen aufgezeigt, die sich daraus ergeben.

Es wird ruhig im Saal, alle Blicke sind nach vorn gerichtet. Das Rednerpult wird von einem Emblem der Luftwaffe geziert. Die Offiziersheimgesellschaft in der Kaserne Köln/Wahn ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Dann begrüßt der stellvertretende Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ansgar Rieks, die teilnehmenden Gäste. In seinen ersten Sätzen macht er deutlich, worum es heute geht.

„Von Beginn an war die Nutzung digitaler Technologien ein wesentliches Element bei der Führung, beim Einsatz, im Betrieb und in der Ausbildung der Luftwaffe“, stellt er fest. Dass der Inspekteur der Luftwaffe ihn zum „Digitalisierungsbeauftragten“ ernannt hat, zeigt den Stellenwert des Schwerpunktthemas.

Der Vorsitzende von AFCEA Bonn e.V., Brigadegeneral Armin Fleischmann, sagt in seiner Begrüßungsrede: „Die DNA der Luftwaffe ist digital!“ Ziel der Veranstaltung sei es, die strategischen und technologischen Entwicklungen bei der Luftwaffe im Bereich der Digitalisierung dem Fachpublikum zu erläutern. Auch solle beleuchtet werden, wie die technologischen Entwicklungen und deren Anwendung beispielsweise bei der Cybersicherheit, verschiedenen Waffensystemen oder in der Führung miteinander verknüpft seien. Als erster, im Stile einer Keynote, sprach der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz.

„Jeder Tag in der Luftwaffe ist ein Tag der Digitalisierung“

Er freue sich hier zu sein und sei dankbar, mit „AFCEA einen kompetenten Partner zu haben, die den Austausch mit allen hier anwesenden Experten voranbringen“. Dies sei von unschätzbarem Wert, so Gerhartz. Er macht deutlich, dass die Luftwaffe seit jeher einen großen Fokus auf die Digitalisierung legt. Deshalb sei die Veranstaltung für ihn persönlich nach seinem Amtsantritt im vergangenem Jahr zwar „eine Prämiere, aber kein Startschuss“. Denn „jeder Tag in der Luftwaffe ist ein Tag der Digitalisierung“, sagt Gerhartz. Von Beginn seiner Amtszeit an habe das Thema bei ihm eine hohe Priorität gehabt. Auch deshalb übergab er das wichtige Thema seinem Stellvertreter, Generalleutnant Rieks. Dennoch sei die Veranstaltung mit all ihren Fachexperten wichtig, um den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. Vor allem sei der Austausch mit der Industrie von immensem Wert.

„Wie sieht der Luftkampf 2050 aus? Das können wir alleine nicht beantworten. Dazu brauchen wir den Dialog mit der Industrie.“ Beispielsweise gebe es beim Future Combat Air System (FCAS) innerhalb der nächsten zwei Jahre ein konkretes Design und die Architektur. Auch dürfe man, wie beim Thema FCAS, sich nicht daran ausrichten, was möglich ist.

„Wir müssen uns an dem maximal technologischen Machbaren ausrichten“, sagt der Inspekteur. Denn nur, weil Systeme und Prozesse heute gut seien, bedeute das nicht, dass sie dies auch noch in fünf oder zehn Jahren seien. Der Prozess der Digitalisierung ist ein rasend schneller, in dem es ständig Neuerungen und Optimierungen gibt. Dennoch müsse beispielsweise ein neues Waffensystem über Jahre hinaus modern sein und den Ansprüchen der Zeit genügen. Eine wichtige Baustelle, an der dringend angesetzt werden müsse, sei das Beschaffungswesen.

Dies könne die Luftwaffe und er persönlich zwar nur in Teilen beeinflussen, dennoch „muss sich das Beschaffungswesen in der Bundeswehr ändern“, stellt Gerhartz deutlich fest. Allen voran müssten die Verbände schneller und mit deutlich weniger bürokratischen Aufwand beispielsweise Ersatzteile beschaffen können. Abschließend betont Gerhartz, dass eine voranschreitende Digitalisierung die Attraktivität der Luftwaffe für junge Bewerber noch weiter steigere.

Er stellte die Frage, wie die Digitalisierung uns in der alltäglichen Arbeit unterstützen könne. Beispielsweise Diensthandys, die ohne Einschränkungen sicher und verlässlich funktionieren. Gerade die junge Generation wächst mit Smartphones auf. „Wir müssen Digitalisierung leben, sie ist für jedermann und für die Attraktivität als Arbeitgeber wichtig“, betont er abschließend.

Digitale Leuchtturmprojekte in der Luftwaffe

Brigadegeneral Christian Leitges vom Kommando Luftwaffe, in der Planung und Weiterentwicklung tätig, machte den Aufschlag mit seinem Vortrag. Vier Gründe seien für ihn wichtig, um den digitalen Fortschritt zu gewährleisten. All diese Punkte seien davon geprägt, dass sie „out of the box“ gedacht seien und sich vom Konservativen lösten, so Leitges.

Zunächst brauche man eine gute Technik, bei der die Industrie ins Spiel komme. Auch benötige man befähigte Menschen, was maßgeblich mit der eigenen Motivation zusammenhänge, sowie in der letztendlichen Anwendung adaptive Prozesse, also solche, die stets anpassungsfähig seien und sozusagen „mit der Zeit gehen“ könnten. Zu guter Letzt, seien nicht doktrinäre Doktrin wichtig – also ein „out of the box“-Denken.

Anschließend nannte Oberst Markus Nickels, ebenfalls vom Kommando Luftwaffe, die fünf digitalen Leuchtturmprojekte der Luftwaffe. Eines davon sei die Analyse von Luftoperationen, wofür in der Offizierschule der Luftwaffe die Simulationssoftware „Command“ genutzt werde, so Nickels. Mit dieser Software können Szenarien, beispielsweise eine Luftoperation, mit realistischen Daten und Faktoren, wie beispielsweise Wettereinflüsse oder Waffensysteme des potenziellen Feindes, genau simuliert werden. Auch finden im Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe bereits "Virtual and Augmented Reality" und VR-Brillen ihren Einsatz. Dies ermögliche ein Training, das unabhängig von Raum, Zeit und Ort funktioniere, sagte Nickels.

Des Weiteren halte auch die künstliche Intelligenz immer mehr Einzug innerhalb der Luftwaffe. Auch der Simulationsverband der Luftwaffe werde weiter vorangetrieben. Dieser solle alle Flugsimulatoren in der Teilstreitkraft miteinander vernetzen, erläuterte Nickels. Die größte Herausforderung ist laut Nickels die luftgestützte Wirkung im elektromagnetischen Spektrum, also die Sicherheit im Cyber- und Informationsraum. Extra hierfür wurden an der Universität der Bundeswehr in München eigene Bachelor- und Masterstudiengänge eingerichtet und das Forschungsinstitut „Code“ gegründet.

Digital voran in die Zukunft

Nachdem Leitges und Nickels die Position der Luftwaffe erläutert hatten, folgten Experten verschiedener Fachgebiete aus der zivilen Wirtschaft. Beispielswiese referierte Volker Thun, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, zum Thema „Einsatz – Führung – Ausrüstung – Digitalisierung in der militärischen Luftfahrt“.

Gregor Schäfer vom Unternehmen „Tesat" sprach bezogen auf die Digitalisierung über die weltraumgestützte Vernetzung. Er erläuterte die Erfahrungen, Strategien und Thesen, die Tesat mit Künstlicher Intelligenz (KI)-Projekten über die Jahre gesammelt hat. Schäfer vertrat die Ansicht, sowohl die Digitalisierung als auch die KI benötigten eine leistungsstarke Kommunikationsinfrastruktur. Ebenfalls über Künstliche Intelligenz referierte Dr. Peter Meitz, vom Computercenter.

Auch vom bereits erwähnten Forschungsinstitut "Code" war ein Vertreter vor Ort. Prof. Dr. Johannes Kinder gab einen umfassenden Überblick über die Forschung bei "Code" und verschiedene Studienmöglichkeiten an der Universität der Bundeswehr in München. Die Ziele des Forschungsinstituts sei vor allem die Vernetzung von Forschung, Militär, Industrie, Behörden und Verbänden.

Weitere Gäste und Vortragende waren Alan Carson von der Elektroniksystem- und Logistik GmbH, und Dr. Oliver Hanka von Cyoss. Sie identifizierten mögliche Angriffsvektoren und sensibilisierten das Publikum für einen holistischen, also ganzeinheitlichen, Ansatz, um Waffensysteme widerstandsfähiger gegenüber Cyberangriffe zu machen.

Im weiteren Verlauf beschrieb Dr. René Bantes vom Frauenhofer Institut den Begriff „Digitalisierung“ und erläuterte die Wichtigkeit einer strategischen Vorausschau auf diesem Gebiet. Er sensibilisierte das Publikum dazu, Chancen und Bedrohungen zu antizipieren. Als letzter Vortragender analysierte Generalmajor Jürgen Setzer, Stellvertreter des Inspekteurs Cyber und Informationsraum (CIR), eben jene Dimension. Dabei stellte er unter anderem heraus, dass Luftwaffe und CIR viele Gemeinsamkeiten haben. Beide seien entstanden, weil sich auf Grund technologischer Entwicklungen die Anforderungen an die Konfliktführung verändert hätten. Darüber hinaus seien beide, so Setzer, Akteure der „ersten Stunde“. In seinen Ausführungen stellte er die bereits vorhandenen, vielfältigen Fähigkeiten sowie aktuelle Handlungsfelder des Kommando CIR dar.

Abgerundet wurde der Tag mit vielen Fragen und Diskussionen zwischen den Vorträgen. Auch in den Pausen konnten sich die Soldaten mit den Vertretern aus der Industrie austauschen.

Insgesamt war die Veranstaltung gelungen, da das Programm sowohl in der Breite als auch in der Tiefe hochwertig war und den zahlreichen Teilnehmern ein kurzweiliger und informativer Tag geboten werden konnte.

 

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