Digitalisierung zum Anfassen: Neues Workshop-Format

Die Teilnehmer übten sich im Design Thinking.

AFCEA Bonn und IBM haben am Donnerstag, 30. Juni, zu einem eintägigen Workshop in die Bonner IBM Garage for Defense eingeladen. Rund 30 Digitalexperten aus Bundeswehr und Wirtschaft versammelten sich, um gemeinsam nach den Methoden der IBM Garage „Innovationen zum Anfassen“ zu entwickeln.

Anhand der Frage, wie die Liegenschaft der Zukunft aussehen soll, übten sich die Teilnehmer intensiv in agilen Arbeitsweisen und Design Thinking bis hin zur Erstellung von Lösungsansätzen und Prototypen.

Aktueller konnte ein Workshop rund um Digitalinnovationen im Verteidigungsbereich nicht sein: Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich der Blick Deutschlands auf die Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes und als Bündnispartner geändert. In seiner Regierungserklärung vom 27. Februar dieses Jahres kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr an – eine Trendwende nach jahrelanger Abrüstung und sinkenden Militärausgaben.

Schnelle Kommunikation und Datenanalysen in Zukunft entscheidend

Angesichts der veränderten Weltlage waren sich die Teilnehmer der Brisanz des Themas bewusst: Die Digitalisierung ist ein Schlüsselbereich bei der Weiterentwicklung der Bundeswehr, gerade auch im Hinblick auf ihre neuen Aufgaben. Schnelle Kommunikation und Datenanalysen beispielsweise können heute im Konfliktfall mit entscheidend sein, um die richtige Strategie für die jeweilige Situation zu erarbeiten. Und um die Chancen der Digitalisierung voll zu nutzen, braucht es Entwicklungsmethoden, die Projektziele, mögliche Sicherheitsrisiken und die speziellen Anforderungen im Verteidigungsbereich miteinander in Einklang bringen.

„Rund 260.000 Menschen sind bei der Bundeswehr beschäftigt – bei dieser Größe Innovationen schnell auf den Weg zu bringen, ist naturgemäß eine komplexe Aufgabe. Doch angesichts der rasanten Veränderung des sicherheitspolitischen Umfelds müssen die Streitkräfte sowie die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie heute schnell und flexibel auf Herausforderungen reagieren können. Diese Anforderungen bilden die Methoden des Workshops in der IBM Garage ab – sehr spannend und inspirierend, diesen Prozess live mitzuerleben“, sagt Oberstleutnant i.G. Tim Frenzel vom Kommando Cyber- und Informationsraum.

Agile Zusammenarbeit in Aktion

Schnelles und flexibles Arbeiten, genau darauf ist das neue, innovative Workshop-Format der AFCEA mit der IBM Garage for Defense ausgerichtet: Die enge räumliche Zusammenarbeit in den Bonner Räumlichkeiten verkürzt Entwurfs- und Entwicklungszeiten stark. Kontinuierliches, direktes Feedback der Kunden an die Entwicklungsteams führt dazu, eventuelle Probleme frühzeitig zu erkennen und noch im Entwurfsprozess zu beheben. Zu welchen schnellen Erfolgen die Vorgehensweise in der Praxis führt, das konnten die Innovationsbeauftragten aus Industrie, Bundeswehr und Sicherheitsbehörden an diesem Tag in Aktion erleben.

Nach der Begrüßung durch AFCEA-Vorsitzenden Brigadegeneral Armin Fleischmann, der Beauftragten für Innovation im AFCEA-Vorstand Marianna Schwarz sowie des Lead IBM Garage for Defense Dr. Christian Weber ging es gleich in die Vollen: In einer kurzen Vorstellungsrunde klärten die Teilnehmer ihre Erwartungen an die Veranstaltung. Dann erläuterten die Organisatoren das Vorgehen, das an das dreiphasige Innovationsmodell der IBM Garage angelehnt war: Co-Create, Co-Execute und Co-Operate. Daraufhin wurden die gemischten Workshop-Teams eingeteilt.

In der ersten Session entwickelten die Teilnehmer zunächst Personas rund um die Thematik Liegenschaft der Zukunft. Im anschließenden Workshop ging es aufbauend auf den Analyse-Ergebnissen um die Ideenfindung zur Frage, wie die Soldatinnen und Soldaten zukünftig zusammenleben und arbeiten sollten und welche Art digitaler Lösungen dabei eine Rolle spielen könnten. Im dritten Workshop entwickelten die Teams dann bereits Konzepte, wie sich die digitalen Innovationen ganz konkret auf den Weg bringen lassen. Am späteren Nachmittag kamen dann alle Teilnehmer zusammen, um die Ergebnisse vorzustellen und zu diskutieren.

Direkter Vergleich mit LiZA

Besonders reizvoll für die Teilnehmer war der Umstand, dass sie die Ergebnisse des Workshops mit denjenigen der BWI innoX Innovationskampagne von 2020 vergleichen konnten. Diese wurden von Tobias Orthey von der BWI GmbH vorgestellt. Auch im Rahmen des BWI-Projekts ging es unter anderem um den Themenkomplex Liegenschaften. Im Bereich technische Gebäudeausstattung hatte dort das BWI-Team die Idee zu „LiZA.“

Die Grundidee: Wenn alle Daten der Bundeswehr Büro- und Gebäudetechnologien konsequent miteinander vernetzt werden, lässt sich nicht nur der Komfort der Mitarbeitenden verbessern, sondern auch die Effizienz und Sicherheit an Bundeswehrstandorten erhöhen. Dazu müsste eine zentrale Programmierschnittstelle entwickelt werden, die alle Endpunkte analog wie im Smart Home miteinander verbindet – so die Idee hinter LiZA.

Erstaunlich war für die Teilnehmer der Umstand, dass sie mit dem Garagen-Ansatz in kurzer Zeit auf ähnliche Ideen gekommen waren. Das war auch eines der Themen der abschließenden Feedback-Runde, in der die Teilnehmer ihre Erfahrungen und Ideen zum gerade durchlaufenen Workshop-Format teilten. Besonders positiv vermerkten sie, dass das Format sehr stark zur aktiven Teilnahme motiviert, unterschiedliches Wissen und Können zusammenbringt und in kurzer Zeit zu sehr praktischen, realitätsnahen Lösungsansätzen führt.

Wichtige Übung für die Zukunft

Das Feedback spiegelt auch das Konzept der IBM Garage Defense wider: „Mit unserem Vorgehensmodell wollen wir die richtigen Spezialistinnen und Spezialisten, angewandte Technologie und neue Formen der Zusammenarbeit zusammenführen, um innovativ zu werden. Unser Motto ist es, die Geschwindigkeit eines Startups mit der Kraft einer großen Organisation zu vereinen, um die digitale Transformation der Streitkräfte in Deutschland und Europa voranzubringen“, so Christian Weber. „In der Garagen-Methodik sind alle Schritte integriert, die dafür notwendig sind – von der ersten Idee über die skalierte Implementierung bis hin zum erforderlichen Kulturwandel. Dies konnten wir in den Grundzügen für die Teilnehmer heute erlebbar machen.“

Maßgeblich vorangetrieben wurde der Workshop von den Mitveranstaltern der AFCEA Bonn e.V. „Die AFCEA verfolgt als Verein das Ziel, seinen Mitgliedern und der interessierten Öffentlichkeit ein Forum moderner Informations- und Kommunikationstechnologie zu bieten. In diesem innovativen Workshop-Format konnten die Teilnehmer gemeinsam ihre Vorstellungskraft entfesseln und einen Eindruck davon gewinnen, wie schnell Innovationen auch im Verteidigungsbereich vorangetrieben werden können“, sagte Marianna Schwarz, Beauftragte für Innovation im Vorstand des AFCEA Bonn. Der Verein umfasst über 1000 Mitglieder und mehr als 100 Firmen, zu denen neben den Großen der IT- und Kommunikationsbranche eine Vielzahl mittelständischer und kleinerer Unternehmen vornehmlich aus der Region Bonn-Köln-Koblenz gehören.

Vorsitzender von AFCEA Bonn ist Brigadegeneral Armin Fleischmann, der ebenfalls am Workshop teilnahm. „Die jüngsten Entwicklungen der weltweiten Sicherheitslage zeigen, wie schnell sich heute die Verhältnisse ändern können und wie wichtig es ist, flexibel auf neue Ereignisse reagieren zu können. Dafür ist dieses Workshop-Format eine interessante und wichtige Übung gewesen, von der wir in Zukunft profitieren können.“