Die Bundeswehr im Zeitalter der Digitalisierung

Mit über 500 Besuchern hat die dreizehnte Koblenzer IT-Tagung am 5. September 2019 in der Rhein-Mosel-Halle einen Besucherrekord gefeiert. Gemeinsam beleuchteten die beiden Veranstalter, das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr und AFCEA Bonn e.V., aus verschiedenen Perspektiven das Thema „Digitale Kompetenz und Konvergenz im Zeitalter digitaler Systeme“.

Nach der Begrüßung durch Oberst i.G. Heiko Mühlmann, stellvertretender Vorsitzender AFCEA Bonn e.V., und Brigadegeneral Michael Hauschild, Abteilungsleiter I im BAAINBw, sowie dem Grußwort, der Bürgermeisterin der Stadt Koblenz, Ulrike Mohrs, stand der Tag in Koblenz ganz im Zeichen des Jahresthemas des gemeinnützigen Vereins AFCEA Bonn e.V.

Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- Informationstechnik im Bundesministerium der Verteidigung, griff Digitalisierung in seiner Eröffnungsrede als Megathema, Führungsaufgabe und Chefsache für die Bundeswehr auf. Nur die konsequente Umsetzung etwa mit dem Cyber Innovation Hub, dem Forschungsinstitut Code der UniBw in Neuberg oder mit Projekten wie die umfassende Digitalisierung von landbasierten Operationen der Streitkräfte (D-LBO) und einer weiteren Verschränkung mit dem IT-Dienstleister BWI könne die Bundeswehr künftig Informations- und Wirkungsüberlegenheit erzielen. Vetter warnte davor, Digitalisierung ohne Veränderungen in der Führungskultur, Zusammenarbeit und Arbeitsweisen zu betrachten. Mit Veränderungsmanagement sei insbesondere bei der Bundeswehr ein besonders „dickes Brett“ zu bohren.

Professor Dr. Peter Martini, stellvertretender Vorsitzender des Cyber Security Cluster Bonn e.V., stellte seinen Verein vor. Ziel des Cyber Security Clusters ist  es, die Anziehungskraft für Fachkräfte für Bonn und die Region sowie für Unternehmen schaffen, unter anderem durch noch intensivere Kooperationen und Austausch zwischen Hochschulen, Unternehmen und staatlichen Organisation.

Mit den Programmen FOXTROT, D-LBO und TEN zeigten Oberst i.G. Robert Miedema von den niederländischen Streitkräften und Leitender Technischer Regierungsdirektor Christian Peters vom BAAINBw eine besondere Form der Zusammenarbeit auf. Die Digitalisierung der Streitkräfte der beiden Nationen soll in einem gemeinsamen Programm „Tactical Edge Networking (TEN)“ umgesetzt werden. Die heutige Ausstattung ist den neuen, zukünftigen Herausforderungen anzupassen. Mit TEN werden die beiden nationalen Programme FOXTROT (Niederlande) und D-LBO (Deutschland) zusammengeführt, um mit gemeinsamen operativen Anforderungen eine gemeinsame technische Lösung zu erzielen. Bis 2023 sollen dann die ersten Einheiten ausgestattet und operativ sein.

Einen Schritt weiter ging Martin Kaloudis, CEO der BWI, der den Weg der Bundeswehr im Zeitalter der Digitalisierung in Richtung Künstlicher Intelligenz aufzeichnete. Dafür brauche es Konsequenz, Mut und Investitionen, die sich in Deutschland insbesondere im internationalen Vergleich schwer finden lasse. So investiere die US-Regierung allein 800 Millionen US-Dollar, um ein intelligentes System für die Simulation von Einsatzszenarien zu entwickeln. Südkorea stecke eine Milliarde US-Dollar in der KI-Grundlagenforschung allein im Bereich Hirnforschung. Und Deutschland? Aus ursprünglich vorgesehenen drei Milliarden Euro seien mittlerweile 500 Millionen geworden – für den Zeitraum von 2020 bis 2023. Künftig wolle die BWI mit dem Cyber Innovation Hub beispielsweise stärker Innovationen nicht nur identifizieren, sondern zügig und bezahlbar in Betrieb nehmen.

Mit dem Vortrag „Digitalisierung und Ethik“ von Professor emeritus Dr. Bernd Eylert von der Technischen Hochschule Wildau waren die ethischen und moralischen Aspekte des Handelns in der Digitalisierung Gegenstand seiner Betrachtungen. Abgeleitet aus der Würde des Menschen stellte Dr. Eylert eingangs die Frage, ob es mehr als nur eine Ethik gebe. In seinen Ausführungen warf er auch den Blick auf die Kant’sche Philosophie der Ethik, wonach sich der Mensch der Vernunft unterzuordnen habe. Insgesamt wurde sehr deutlich, dass jedes Handeln immer begründbar sein muss und ethisches Handeln nur mit Verstand und in Freiheit möglich sein wird und dabei die Normen und Pflichten die eigentlichen Grenzen vorgeben. Letztendlich gebe es tatsächlich mehr als eine Ethik.

Am Nachmittag der Koblenzer IT-Tagung vertieften Fachpodien das Konferenzthema. Darin diskutierten Vertreter von Bundeswehr, Ministerium und Unternehmen die heutigen und künftigen Einsatzmöglichkeiten intelligenter Systeme im militärischen Kontext. Dass KI bei der Bundeswehr eine wesentliche Rolle wird spielen müssen, stehe außer Frage. Ein besonders streitbarer Punkt dabei: Sollten Waffensysteme überhaupt autonom entscheiden dürfen? Und wenn ja, nach welchen ethischen Richtlinien? Es gehe nicht um unkontrollierbare Killerbots, sondern vor allem darum, durch mehr Informationen taktisch besser entscheiden zu können.

Einen ganz anderen Blick auf die Digitalisierung warf Dr. Alexander Markowetz, Informatiker und Autor. In seinem pointierten Vortrag entwickelte er Zukunftsszenarien, in denen Digitalisierung zu einer vollständigen Dezentralisierung führt und begleitet von zahlreichen Krisen zu einer Abkehr sämtlicher Gegebenheiten führt, die man in den vergangenen 250 Jahren entwickelt habe. „Wir stehen vor dem nächsten fundamentalen Zeitalter – dem digitalen Zeitalter.“

Im Anschluss an den Fachteil der Tagung unter der Leitung von Brigadegeneral Michael Hauschild, und Oberst i.G. Heiko Mühlmann überreichte Dr.-Ing. Michael Wunder, Vorstand AFCEA Bonn e.V., den AFCEA Studienpreis 2019. Dabei wurden auch dieses Jahr wieder herausragende Studienarbeiten im Themenbereich Informatik, Nachrichten- und Automatisierungstechnik ausgezeichnet. Die Arbeiten wurden verfasst von jungen Akademikern an Hochschulen und Universitäten im Rhein-Sieg-Kreis, Bonn, Aachen und Koblenz sowie den Bundeswehruniversitäten ausgezeichnet und sind mit einem Gesamtvolumen von 20.000 Euro dotiert.